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„Hilfe kommt zum Problem, nicht umgekehrt“

Sonderpreis des Bündnisses im Rahmen des Nds. Integrationspreises


Beim Niedersächsischen Integrationspreis 2021 ging der Sonderpreis des Bündnisses „Niedersachsen packt an“ an das Oldenburger Projekt „Ausbildung 1+2 – Starten mit Erfolg“. Zu den Projektbeteiligten gehören unter anderem die Berufsbildenden Schulen Wechloy. Wir sprachen mit dem Schulleiter Oliver Pundt und der Abteilungsleiterin für Handelsberufe, Silke Schütte.


Zwei Jahre nach Projektstart: Was hat 1+2 erreicht?

Oliver Pundt: Wir haben rund 120 Geflüchtete für eine duale Ausbildung in Deutschland fit gemacht, beraten und unterstützt. 38 von ihnen haben bereits den Ausbildungsvertrag in der Tasche. Der Erfolg unseres Projekts lässt sich aber nicht ausschließlich an nackten Zahlen zum Berufseinstieg bemessen. Vielmehr haben wir gezeigt, wie Integration gelingen kann: Durch unbürokratische Hilfe seitens der Partner und hohe Motivation seitens der Geflüchteten.


Führen Sie das gern ein wenig aus, Herr Pundt.

Oliver Pundt: Die meisten unserer Teilnehmer:innen haben sich eingelebt, weil sie in Niedersachsen persönlich etwas erreichen können. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass ihnen bei Bedarf jemand zur Seite steht. Andernfalls können scheinbar banale Alltagsfragen zu Frustration und letztlich zu Verzagtheit führen. Wie löse ich ein Busticket? Wie finde ich einen Mobilfunkanbieter? Worauf muss ich bei einem Mietvertrag achten? Statt jedes Mal „den Amtsweg zu beschreiten“, erhalten sie sofort Unterstützung. Die Hilfe kommt also zum Problem, nicht umgekehrt. Auch deshalb sind von den insgesamt 38 Auszubildenden nur drei abgesprungen, zwei aus gesundheitlichen Gründen, eine weitere wegen Umzug. Das ist ein großer Erfolg.


Die Zusammenarbeit im Projekt ist also der Schüssel?

Silke Schütte: Unbedingt. Die IHK Oldenburg räumt bürokratische Hürden ab, etwa bei der Vertragsgestaltung und beim Herstellen von Kontakten, und die Ehrenamtlichen vom Verein pro:connect unterstützen als Migrationsbegleiter:innen. Beispielsweise führt der pensionierte Personalleiter eines Partnerunternehmens zahlreiche individuelle Gespräche. Darüber hinaus funktioniert die Zusammenarbeit mit den acht Ausbildungsbetrieben reibungslos. Seit Projektbeginn ist kein einziger abgesprungen. Im Gegenteil: Uns erreichen Anfragen, ob wir noch mehr Geflüchtete als Azubis schicken können.


Wie haben Sie das Projekt unter den Bedingungen der Pandemie weitergeführt?

Silke Schütte: Wir waren glücklicherweise gut vorbereitet. Schon vor Corona hatten wir ein digitales Lernmanagementsystem eingeführt und alle Lehrkräfte schulen lassen. Unsere insgesamt 3.300 Schüler:innen und die Lehrkräfte kommen seitdem per Video zusammen und können auf der Plattform unter anderem auch Materialien austauschen. Der Unterricht ging also nahtlos weiter, auch wenn es gelegentlich zu technischen Pannen kam.

Oliver Pundt: In den Betrieben hat die Ausbildung parallel dazu weiterhin stattgefunden. Und offenbar hat die Ausnahmesituation sogar zur persönlichen Reifung mancher Schüler:innen beigetragen. Mehrere Ansprechpartner in den Ausbildungsbetrieben meldeten uns zurück, dass die Azubis über sich hinauswachsen.


Hintergrund

„Ausbildung 1+2 – Starten mit Erfolg“ ist ein Projekt der Berufsbildenden Schulen Wechloy der Stadt Oldenburg, der IHK Oldenburg und des pro:connect e.V. Junge Geflüchtete werden in einer auf drei Jahre gestreckten Ausbildung in den zweijährigen Ausbildungsberufen zur/m Verkäufer:in oder Fachlagerist:in ausgebildet und begleitet. Im zusätzlichen Jahr erhalten sie unter anderem Sprach- und Rechenunterricht und suchen an zwei Tagen pro Woche ihren Ausbildungsbetrieb auf. Die Auszubildenden befinden sich von Beginn an in einem Ausbildungsverhältnis und erhalten eine Vergütung. Das Konzept haben wir in Newsletter 2/2020 beschrieben.

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