„Der König des Mürbeteigs“ - der Bäckergeselle Najmodin Wafa im Porträt
Von Eva Völker
„Warmes Fladenbrot ist der Vater jedes Grillgerichts“. Diesen Spruch kennt Najmodin Wafa aus seiner Geburtsstadt Kabul. Per Whatsapp-Video-Call bin ich mit dem jungen Afghanen verbunden. Er sitzt aufmerksam nach vorn gebeugt da, im hellen Pullover, mit einem offenen Lächeln. Najmodin hat im Sommer seine Ausbildung im Bäckerhandwerk als zweitbester seines Jahrgangs im Bereich der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade absolviert. Sein Ausbildungsbetrieb in Heeslingen im Landkreis Rotenburg hat den frisch gebackenen Gesellen unbefristet übernommen. Fladenbrot macht der junge Mann nur ab und zu bei sich zuhause. Sein Brot verdient er vor allem mit dem Backen von Kuchen, Torten und Gebäck. Jetzt in der Adventszeit haben natürlich Weihnachtsplätzchen Hochkonjunktur. Vanillekipferl und Schwarz-Weiß-Kekse sind die Favoriten des 24-Jährigen. Der Seniorchef nennt ihn den „König des Mürbeteigs.“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Bäcker werden würde“, sagt Najmodin Wafa. In Kabul hatte er in einer Autowerkstatt gejobbt, machte Reifen- und Ölwechsel. Heute gilt seine Leidenschaft vor allem dem Konditorwesen. Besonders gern backt und verziert er Torten, auch Käse- und Apfelkuchen haben es ihm angetan. Der Weg zum Bäckergesellen war aber nicht leicht.
Sprache ist der Schlüssel
„Am Anfang meiner Ausbildung hatte ich noch Probleme mit der Sprache“, erzählt Najmodin Wafa, der 2015 als Geflüchteter nach Deutschland kam. Er nahm sich Nachhilfe und allmählich klappte es besser. „Ich habe schnell erkannt, die Sprache ist der Schlüssel“. Im zweiten Lehrjahr war sein Ausbilder, der ihm ein sehr guter Lehrmeister war, längere Zeit krank. In der Zeit kaufte sich Najmodin Wafa eine semiprofessionelle Küchenmaschine und backte zuhause Rezepte nach, die er sich vorher auf Youtube angeschaut hatte. So konnte er den Lernrückstand in der Praxis wieder aufholen. „Ich bin neugierig, probiere gerne Sachen aus, die ich noch nicht kenne“, sagt der junge Bäckergeselle.
Mit den Kolleginnen und Kollegen in der Backstube versteht sich Najmodin Wafa sehr gut. „Wir sind ein gutes Team“, sagt der junge Mann. Am Anfang hatte es jedoch ein paar Missverständnisse und Sticheleien gegeben. Aber der Azubi machte schnell klar, wo für ihn die Grenze ist: „Ich behandele andere mit Respekt und möchte auch selbst mit Respekt behandelt werden.“
Zu Beginn der Lehrzeit wohnte Najmodin Wafa noch in einer WG. „Wir haben uns gut verstanden, aber auf Dauer war es schwierig, weil ich einen anderen Rhythmus hatte als meine Mitbewohner“. Der junge Mann muss jeden morgen um 2 oder 3 Uhr aufstehen. Wenn er mittags nachhause kommt, schläft er erstmal. Inzwischen wohnt er in einer eigenen kleinen Wohnung, wo er seine Ruhe hat.
„Altheimische“ und „Neuheimische“
In seiner Freizeit geht Najmodin Wafa ins Fitness-Studio, wenn es seine Zeit erlaubt, trainiert er Judo. Regelmäßig lädt er Freunde ein, für die er backt. „Mir ist wichtig, dass mir andere sagen, wie ihnen die Sachen schmecken, die ich mache“, sagt er, „das bringt mich weiter“. Außerdem hilft er ein- bis zweimal die Woche bei der Tafel in Zeven aus. „Ich habe selbst viel Unterstützung bekommen, vor allem von meiner Chefin Frau Steffens-Zühlke, meinem Ausbilder und meinen Kollegen, aber auch von meinen ehrenamtlichen Paten, dem Ehepaar Rogge, denen allen ich sehr dankbar bin, deswegen möchte ich selbst gerne anderen helfen“, erzählt der 24-Jährige. Bevor er die Ausbildung begann, hatte er sich auch bei der Freiwilligen Feuerwehr im Ort ehrenamtlich engagiert. Das hat er selbst initiiert, um Kontakt zu „altheimischen“ Menschen zu bekommen. Diesen Begriff hat haben die Ehrenamtlichen vom Flüchtlingsnetzwerk Zeven geprägt. Das Pendant lautet „neuheimisch“.
Deprimierende Nachrichten aus Kabul
Najmodin Wafa hat sich ein neues Leben aufgebaut, seit er 2015 nach Niedersachsen kam. Er war vor einem berüchtigten Warlord in Kabul geflohen, fürchtete um sein Leben. Inzwischen hat sich in Afghanistan viel verändert, nachdem die Taliban im Sommer die Macht übernommen haben. „Zuerst habe ich ständig Nachrichten geguckt und die Entwicklungen in Kabul genau mitverfolgt“. Doch mit der Zeit hörte er damit auf, weil er es kaum ausgehalten hat. Zu groß war die Belastung durch die deprimierenden Entwicklungen in Afghanistan. Natürlich macht er sich nach wie vor Sorgen um seine Lieben: „Zurzeit ist der Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden schwierig, ständig gibt es Stromausfälle in Kabul oder die Internetverbindung bricht zusammen“.
Pläne erfordern Perspektive
In Sorge ist Najmodin Wafa auch wegen seines Aufenthaltsstatus. Er hat lediglich eine Aufenthaltsgestattung, die immer nur für drei bis sechs Monate verlängert wird. Dabei hat Najmodin Wafa schon so vieles geschafft: Die Sprache gelernt, den Führerschein bestanden, die Ausbildung erfolgreich absolviert. Sein Lebensmut hat ihm bislang die nötige Energie dafür gegeben. Als nächstes würde der junge Mann gerne seinen Meister machen. Eine eigene kleine Bäckerei ist sein Traum. „Aber das schaffe ich nur, wenn ich auch eine Perspektive habe“, sagt Najmodin Wafa. Er ist ein Macher. Der Spruch in seinem Whatsapp-Status lautet: „Die glücklichsten Menschen haben nicht das Beste von allem, sondern sie machen das Beste aus allem.“