„Ich möchte gerne Vorbild für andere Geflüchtete sein“
von Eva Völker
Ali Ahmad Danesh hat einen weiten Weg zurückgelegt – im wahrsten Sinne des Wortes: Über 6000 km sind es von seiner Heimatstadt Herat in Afghanistan bis nach Einbeck, wo er heute lebt.
Drei Monate war er unterwegs, bis er im Oktober 2015 in Südniedersachsen ankam. Es war aber auch ein weiter Weg im übertragenen Sinn: In sechs Jahren hat Ali Danesh die deutsche Sprache gelernt, in Göttingen erfolgreich eine Ausbildung zum Gestaltungstechnischen Assistenten absolviert und seinen Weg in die Kommunalpolitik gefunden. Sein ehrenamtliches Engagement ist vielfältig: Danesh ist bei den Grünen und berät den Landkreis Northeim in Fragen der Integration. Drei Jahre lang hat Ali Danesh für ein Spendenzentrum der Diakonie in Einbeck gearbeitet. Außerdem spielt der 29-Jährige Fußball im örtlichen Verein und nimmt aktiv am Leben der evangelischen Kirchengemeinde teil, für die er auch schon als Übersetzer tätig war. Er engagiert sich darüber hinaus beim Queeren Zentrum Northeim. Gerade aus Afghanistan fliehen nicht wenige Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung vor den islamistischen Taliban.
Ali Danesh ist ein Freigeist. Der gelernte Grafikdesigner arbeitete in Afghanistan unter anderem für die Nato. Dies war auch ein Grund, weshalb er schließlich fliehen musste: Nach dem Wiedererstarken der Taliban war er nicht mehr sicher. Im Grenzdurchgangslager Friedland begann Danesh, sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen. Besonders beeindruckt ihn das Zitat von Jesus „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“.
In der Politik liegen ihm vor allem die Themen Flucht und Migration am Herzen. „Da bringe ich mich gerne ein und möchte meine eigenen Erfahrungen und die anderer Geflüchteter teilen“, sagt Danesh. Sehr gerne wäre er auch als Kandidat der Grünen bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen angetreten. Doch das ist zur Zeit für ihn nicht möglich, da er noch nicht eingebürgert ist. Er hat lediglich eine Duldung, noch nicht mal eine Aufenthaltserlaubnis. Die könnte er theoretisch auf der Grundlage von Paragraph 25b des Aufenthaltsgesetzes bekommen. Dieser besagt, dass Geduldete eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können, wenn sie sich „nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert“ haben. Freunde, die Kirchengemeinde und die Bürgermeisterin haben insgesamt 50 Schreiben an die Ausländerbehörde geschickt, um Daneshs Integrationsbemühungen zu bestätigen.
Doch die Ausländerbehörde ist bislang zurückhaltend. Sie fordert zu allererst, dass Ali Danesh einen afghanischen Pass vorlegt. Den zu beschaffen, ist aber kein leichtes Unterfangen. Die afghanische Botschaft in Bonn ist völlig überlastet. Im Dezember 2020 gab man ihm einen Termin für Dezember 2021. Doch so lange wollte und konnte der junge Mann nicht warten. Daher fuhr er auf gut Glück nach Bonn und sprach ohne Termin bei der Botschaft vor. Man sagte ihm Anfang August, in zwei Monaten werde er den Pass erhalten. Angesichts der zwischenzeitlichen Machtübernahme in Afghanistan durch die Taliban dürfte dies äußerst fraglich sein.
Manchmal ist Ali Danesh frustriert. So viele Hürden, die er noch nehmen muss, um endlich die Gewissheit zu haben, dass er in Deutschland bleiben darf. „Meine deutschen Freunde versuchen mich dann zu trösten und sagen, wir sind nun mal in Deutschland, da gibt es viel Bürokratie“. Die Nachrichten aus Afghanistan, die er in diesen Wochen über die Machtübernahme durch die Taliban hört, tragen nicht unbedingt zu seiner Beruhigung bei. Er macht sich große Sorgen um seine Familie. Die Islamisten haben längst seine Heimatstadt Herat erobert. Die Bilder von den verzweifelten Menschen auf dem Flughafen in Kabul sind für ihn kaum zu ertragen.
Wenn er den Pass hat, will Ali Danesh das Projekt Jobsuche angehen. Er hat in den letzten sechs Jahren viele Hebel in Bewegung gesetzt, um seinen Weg in die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu finden. „Es wäre nicht nur für mich gut, wenn ich eine Aufenthaltserlaubnis bekommen würde“, meint Danesh, „auch für die anderen Geflüchteten, die ich kenne, wäre es ein wichtiges Signal, dass es sich lohnt, sich anzustrengen.“ Der 29-Jährige hat bislang einen langen Atem bewiesen. „Schritt für Schritt will ich meinem Ziel näherkommen“, sagt er. Sein größter Wunsch ist es, eingebürgert zu werden, eine Stelle zu finden und dann bei den nächsten Kommunalwahlen zu kandidieren. Das wäre im Jahr 2026.