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Handreichung zur erfolgreichen Ausbildung von Auszubildenden mit Fluchterfahrung

Die Anzahl der nach Deutschland geflüchteten und zugewanderten Menschen stieg im Jahr 2015 rasant an. Kriege und Krisen tun heute ihr Übriges dazu. Viele der Schutzsuchenden wollen zurück in ihre Heimat. Doch etliche Menschen würden auch gern in Deutschland bleiben und sind auf der Suche nach Arbeit. Angesichts des oftmals beklagten Fachkräftemangels liegt hierin eine große Chance sowohl für die Geflüchteten, als auch für die Unternehmen, die neue Arbeitskräfte gewinnen und ausbilden möchten. Als Unterstützung für Betriebe und Institutionen haben Prof.in Dr.in Margit Stein und Kirsten Rusert von der Universität Vechta nun eine „Handreichung zur erfolgreichen Ausbildung von Auszubildenden mit Fluchterfahrung“ herausgegeben. Gefördert wurde das Vorhaben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).


Die Handreichung lesen Sie hier.


„Der demografische Wandel, die voranschreitende Digitalisierung und der Transformationsprozess zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft stellen unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen“, schreibt Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMWK, im Vorwort der Handreichung. „Dafür braucht es jetzt und zukünftig viele gut ausgebildete Menschen, die diese Prozesse mit ihrem Wissen und Können umsetzen.“ Bereits heute würden sich bundesweite Fachkräfteengpässe zeigen – vor allem in Berufen, die im dualen Ausbildungssystem erlernt werden, beispielsweise in Berufen des Handwerks, im Bau und im Pflege- bzw. Gesundheitsbereich. „Trotz guter Entwicklungs- und Karrierechancen sind die Ausbildungszahlen seit Jahren rückläufig – für Betriebe war es nie so schwierig Ausbildungsplätze erfolgreich zu besetzen“, so Kellner. „Damit Ausbildung gelingt, ist aber nicht nur Fachwissen gefragt. Soziale Kompetenzen spielen eine immer größere Rolle. Heterogene Gesellschaften in den Betrieben, sei es durch Geflüchtete oder Zugewanderte, erfordern ein hohes Maß an gegenseitigem kulturellem Verständnis, Respekt und Toleranz und sind essentiell für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.“ Dabei sei eine strukturelle Benachteiligung von Jugendlichen beim Zugang zur dualen Berufsausbildung festzustellen, fasst Prof.in Dr.in Margit Stein zusammen. „Das Ziel der Handreichung ist, Betriebe für die Einstellung von Geflüchteten zu gewinnen. Sie ist aus den Forschungsergebnissen der Projekte „Soziales Kompetenztraining für Auszubildende und Mediationstraining für Ausbilder*innen“ (SKM) und „Inklusion durch soziale Kompetenzen von Schüler*innen für den Start ins Berufsleben“ (ISK) im Service-Learning mit Studierenden und Auszubildenden sowie mit Kooperationspartner*innen aus der Region, wie dem Landkreis Vechta, entstanden. Zusätzlich haben andere Projekte der Förderlinie und kooperierende Forscher*innen Praxistipps beigetragen“, sagt die Universitätsprofessorin für Allgemeine Pädagogik.

„Die in der Studie – welche der Handreichung zugrunde liegt – begleiteten Geflüchteten verbindet ein gemeinsames Merkmal: Die Flucht“, führt Kirsten Rusert, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich, aus. Sie hätten unterschiedliche soziale Hintergründe, eine unterschiedliche Herkunft und hätten sich aus den unterschiedlichsten Gründen zur Flucht entschieden. „In den Ausführungen versuchen wir Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, ohne die Heterogenität und Individualität der betroffenen Menschen außer Acht zu lassen“, sagt Rusert.

Die vorliegende Handreichung entstand in der praktischen Arbeit mit den Geflüchteten und ihren Ausbilder*innen und greift direkt auf, was diese berichteten. Das Projektteam hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Auszubildenden selbst eine Stimme zu geben. Dazu wurden sie ein Semester lang von Studierenden als Mentor*innen begleitet. Innerhalb des Mentorings wurden im Einverständnis mit den Auszubildenden Interviews durchgeführt, unter anderem zu den Erfahrungen der Geflüchteten mit der Ausbildung. Insgesamt sind 33 Interviews und Dokumentationen entstanden. Der vertrauensvolle Kontakt auf Augenhöhe zwischen den Auszubildenden und den etwa gleichaltrigen Studierenden ermöglichte Einblicke in das Leben der Auszubildenden mit ihren Sorgen, Wünschen und Träumen. Die Treffen wurden außerhalb von Schule und Betrieb in der Freizeit organisiert. Dabei fühlten die Auszubildenden sich durch das Angebot wertgeschätzt, vor allem wurde der Kontakt zu etwa gleichaltrigen Einheimischen positiv hervorgehoben. Überrascht war das Projektteam, dass sie als etwas Besonderes erwähnten, selbst den Bedarf an ihre Mentor*innen formulieren zu dürfen und nach ihren Wünschen für die Begleitung gefragt zu werden. Auch interessierte Ausbildungsbetriebe haben am Projekt mitgewirkt, ihre eigene Praxis reflektiert, diskutiert und Best-Practice-Beispiele zur Integration und Förderung von Auszubildenden mit Fluchterfahrung vorgestellt. Aus zahlreichen Gesprächen konnte im Projekt ein ganzheitlicher Einblick in die Ausbildungspraxis zur beruflichen Inklusion von Geflüchteten in engagierten Betrieben gewonnen werden. Die Einblicke sind nicht auf die Interviews beschränkt, sondern umfassen zusätzlich Dokumentationen des Mentorings und zahlreiche Gespräche mit Personen aus der Praxis.

„Wir möchten dazu beitragen, eine bestmögliche Chancennutzung durch möglichst individuelle Lernwege zu öffnen. Patentrezepte, die immer greifen und passen, können somit aber – leider – nicht weitergegeben werden“, sagt Rusert. Vielmehr sei die Handreichung als Unterstützung und Anregung zu verstehen, wenn Ausbildende Geflüchtete beschäftigen oder beabsichtigen, dies zukünftig zu tun. „Dabei ist uns wichtig, dass Geflüchtete aber nicht nur in Engpassberufen eine Chance erhalten – dass also beispielsweise viele Frauen zunächst in die Pflege gedrängt werden – sondern einen Beruf nach ihren Interessen wählen können. Wir hoffen, durch die von uns geschilderten Erfahrungen der im Projekt befragten Unternehmen und Auszubildenden sowie durch die sorgfältig zusammengetragenen Informationen dazu beizutragen, dass Ausbildende für die Unternehmen und die Betriebe passende Maßnahmen und Angebote zusammenstellen können“, sagt Rusert.


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