3 Fragen an...
...Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christian von Bar
Warum ist Integration wichtig und richtig?
Ich halte Integration für eine Ausprägung des Schutzes der Menschenwürde, der seinerseits die raison d' être der Bundesrepublik ist. Menschen, die nicht an dem Leben des Landes teilhaben, in das sie flüchten mussten, können ihre Persönlichkeit nicht entfalten. Und unsere eigene Welt würde verdorren und verstauben, wenn sie nicht immer wieder neue Impulse empfangen würde.
Wie gelingt Integration, was können wir tun?
Integration ist hauptsächlich eine Frage der Haltung – auf beiden Seiten. Sie setzt die Bereitschaft voraus, im Fremden das Eigene zu erkennen. Beide Seiten müssen lernbereit und zu schlichter gütiger Menschlichkeit befähigt sein. „Wir“ können mehr tun, wenn wir Hilfe zur Selbsthilfe gewähren, insbesondere den Zugang zur Arbeitswelt erleichtern. Aber wir dürfen und müssen auch fordern: Anstand, Leistungsbereitschaft, Übernahme von Mitverantwortung für das Gemeinwesen. Und wir dürfen und müssen auch begrenzen. Das rechtsstaatliche Erfolgsmodell der Bundesrepublik – wer flüchtet schon nach Russland? – wird sich nicht halten können, wenn wir Aufenthaltstitel in inflationärer Zahl vergeben. Dann ist die Integrationskraft einer Gesellschaft schnell erschöpft und es findet überhaupt keine Integration mehr statt. Gleichwohl: Es ist ein gutes Zeichen, dass Menschen zu uns wollen. Ein echtes Problem hätten wir erst, wenn sie abwanderten.
Kennen Sie eine persönliche Erfolgsgeschichte der Integration?
Ich habe vierzig Jahre lang an der Universität Osnabrück Vorlesungen gehalten und war Zeuge einer sehr großen Zahl von Erfolgsgeschichten. In den Hörsälen lernt man die meisten Studenten nicht mit Namen kennen; Klausuren und Examensarbeiten werden unter anonymen Kennziffern geschrieben. Es gibt also in den meisten Fällen erst in den Seminararbeiten und in den mündlichen Prüfungen die Möglichkeit, vom Namen des Studenten auf seinen/ihren Migrationshintergrund zu schließen. Entsprechendes gilt für die Rekrutierung von studentischen Hilfskräften für den Lehrstuhl und das Institut. Oft habe ich dafür im Hörsaal einfach die Studenten angesprochen, die auf mich am intelligentesten gewirkt haben. Die größte Erfolgsstory ist deshalb, dass ich nie zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden musste: es gab zwischen ihnen kein signifikantes Leistungsgefälle. Es ging immer nur um die individuellen Fähigkeiten. Sie werden kaum glauben, wie viele Studierende mit Migrationshintergrund inzwischen in Spitzenpositionen aufgestiegen sind, in denen es längst schon keine Rolle mehr spielt, wo einer geboren wurde.