„Wir wollen etwas zurückgeben“ - Unterstützung in der Corona-Krise
Es war kurz vor Ostern. Die Corona-Krise hatte das Land bereits fest im Griff. „Wir saßen mit der ganzen Familie zusammen beim Tee, wie jeden Tag“ erzählt Musa Rezai, „und erinnerten uns, wie die Leute uns geholfen haben, als wir aus Afghanistan in Deutschland angekommen sind.“ Da hatte seine Frau Amine Rezai eine Idee: Sie könnten Stoffmasken nähen.
Jetzt brauchten sie nur noch das nötige Material, um loslegen zu können. Stoff erhielten sie vom Jugendzentrum Zeven, das im Rahmen einer Upcycling-Initiative zu Stoffspenden aufgerufen hatte. Schwieriger war es, an elastisches Gummiband zu kommen - in den Läden war längst alles ausverkauft. Wieder hatte Amine Rezai einen Einfall: Kurzerhand schrieben sie eine Anfrage in die Whatsapp-Gruppen der Kita-Gruppen und der Schulklassen ihrer Kinder. „Und auf einen Schlag hatten wir 40 Meter Gummiband“, erzählt Amine Rezai mit einem Lächeln im Gesicht. Und auch jede Menge Vorbestellungen.
Die ganze Familie hat beim Maskennähen mitgeholfen
Mehr als 300 Masken haben die Rezais bis jetzt genäht. „Es ist uns leicht gefallen, sagt Musa Rezai, schließlich habe ich früher im Iran als Schneider gearbeitet, meine Frau hat Teppiche geknüpft.“ Auch die Kinder halfen beim Maskennähen mit, sie sind zwölf, acht, sieben und vier Jahre alt. „Sie hatten richtig Spaß dabei, die Jüngste hat das Gummiband zugeschnitten“, berichtet Amine Rezai anerkennend.
Zunächst kam eine geliehene Nähmaschine zum Einsatz, ein älteres Modell. Seit ein paar Tagen näht Musa Rezai auf einer Profi-Maschine. Bei der Suche nach einem geeigneten Gerät war ihm Ferdinand Rogge behilflich. Zusammen mit seiner Frau Ilona unterstützt der 70-Jährige Zevener die Rezais und andere Geflüchtete schon seit vier Jahren. Er suchte im Internet nach einer günstigen Nähmaschine und wurde fündig. Finanziert wurde sie zur einen Hälfte aus dem Ersparten von Familie Rezai und zur anderen aus Spenden. Die Rezais geben die Stoffmasken kostenlos ab. Sie wollen durch die Aktion kein Geld verdienen. „Wir haben selbst so viel Unterstützung bekommen, als wir in Deutschland angekommen sind“, sagt Musa Rezai, „deswegen wollen wir den Menschen jetzt etwas zurückgeben“.
Musa Rezai absolviert eine technische Ausbildung
Solange er um Ostern herum Urlaub hatte, nähte er den ganzen Tag. Jetzt ist der Urlaub vorbei, der Alltag hat wieder begonnen. Der 36-Jährige absolviert seit zwei Jahren eine Ausbildung als Konstruktionstechniker bei einem Zevener Anlagenbauer. Die Arbeit im Betrieb macht ihm Spaß, auch wenn ihm das Fachvokabular manchmal noch etwas schwer fällt. Aber er ist zielstrebig und hat keine Scheu nachzufragen, wenn er etwas nicht versteht, erzählt Ilona Rogge, die die Rezais schon seit vier Jahren kennt und sie vor allem in der Anfangszeit zu Terminen beim Amt oder beim Arzt begleitete und für sie dolmetschte. Ilona Rogge spricht nämlich Farsi, die Landessprache im Iran. Amine und Musa Rezai hatten wie viele ihrer afghanischen Landsleute lange Jahre im Iran gelebt.
Die Rezais sind gut in Zeven angekommen
Drei ihrer Kinder sind im Iran geboren, die jüngste Tochter kam drei Tage nach ihrer Ankunft in Deutschland zur Welt. Seitdem mussten sie schon dreimal umziehen. Aber nach jedem Umzug fanden sie innerhalb kürzester Zeit viele neue Kontakte, die sich bis heute gehalten haben, erzählt Musa Rezai. Auch aktuell gibt es einen älteren Herrn nebenan, um den sich die Rezais kümmern. In ihrer jetzigen Wohnung in Zeven fühlt sich die Familie sehr wohl. Die Kinder haben keine weiten Wege in die Kita und zur Schule. Sie lernen gerne, sagt Ilona Rogge, sind aufgeschlossen, überhaupt nicht scheu. Wenn sie eine Frage zu ihren Hausaufgaben haben, klingeln sie bei den Nachbarn, die ihnen gerne helfen.
Die Mutter Amine Rezai hat bereits mehrere Deutschkurse bis zum Sprachniveau B1 erfolgreich absolviert. Eigentlich hätte sie im März die Führerscheinprüfung gemacht, doch leider kam der Corona-Lockdown dazwischen. Die 32-Jährige würde gerne in den nächsten Jahren ihren Hauptschulabschluss machen und ebenfalls einen Beruf lernen. Der größte Wunsch der Rezais aber ist es, dass die Familie in Deutschland bleiben darf. Wann sich das endgültig entscheidet, ist noch nicht abzusehen. Genauso wenig wie die Frage, wie lange die Menschen in Deutschland noch Gesichtsmasken tragen müssen. Solange setzt sich Musa Rezai jeden Abend zwei Stunden an die neue Profi-Maschine und näht und näht.